
Wir die Teilnehmenden der SGH-Ausbildung 2024 / 2025 verstehen uns als Brückenbauer. Um dies besser zu verstehen, nehmen wir euch mit auf eine kleine Reise: Vom Konsum zur Abstinenz
Die Zeit des Konsums.
Eine Zustandsbeschreibung
„Wie ich mich oft gefühlt habe, als ich noch „getrunken, konsumiert“ habe. Schon am frühen Morgen musste ich Alkohol trinken, um funktionieren zu können. Doch mit der Zeit musste ich noch mehr trinken, damit ich den Tag überstehen konnte. Viele verschiedene Gründe haben mich unter Druck gesetzt und mehr und mehr meine Aufmerksamkeit erfordert.
Zum Beispiel: Einmal hat mich mein Kollege besorgt angesprochen, weil ich immer schon am Morgen nach „Alkohol“ gerochen habe. Ich habe es heruntergespielt und gesagt, dass ich gestern Abend auf einer Feier war. Da wusste ich, dass ich dabei war aufzufallen. So ging es eine sehr lange Zeit. Mal besser, mal schlechter und dann nur noch schlechter.
Es kam dann, wie es kommen musste. Ich geriet in eine Polizeikontrolle und mein Führerschein war weg. Um ehrlich zu sein, ich habe unter Alkohol einen Unfall verursacht und dann war mein Führerschein weg. Glück war dabei, dass es nur ein Blechschaden war und keine Personen zu Schaden gekommen sind.
Dadurch habe ich neue Probleme bekommen, wie ich nun mit dem ÖPNV zur Arbeitsstelle komme. Dieser „Frust“ erzeugte bei mir noch mehr Konsumzwang, sodass ich mehr und mehr auffällig wurde und ich Probleme mit dem Chef bekam.
Auch meine Familienleben wurde in Mitleidenschaft gezogen. In meinem „Freundeskreis“ am Wochenende und Feierabend in meiner Stammkneipe war allerdings alles in Ordnung. So habe ich es jedenfalls oft empfunden. In Wahrheit gab es große Probleme:
Meine Familie wandte sich nicht gleich, aber dann doch, weil sie es nicht mehr mitansehen konnten, von mir ab. Nach und nach habe ich meine Aufgaben …. vernachlässigt…
Noch immer hatte es eine ganze Weile gebraucht bis es für mich auch „im Konsum“ nicht mehr so lief, dass ich mir einreden konnte, alles sei noch o.k. Mir ging es körperlich und psychisch echt sehr mies. Ich weiß mittlerweile von anderen Menschen mit Alkoholabhängigkeit, dass es verschiedene Gründe gibt, warum und wann jemand sich entscheidet sich „Hilfe zu holen“. Für mich war der Punkt gekommen als, meine Geschwister mir die Freundschaft gekündigt hatten. Bei anderen war es so, dass die Ehe kurz vor dem Konkurs stand oder dass jemand in seinem Zuhause die ganz normalen Aufgaben nicht mehr auf die Reihe gekriegt hat.
So hat es sich ergeben, dass wir aus unterschiedlichen Gründen den Weg zu den „Brückenbauern“ gefunden haben. Die laden alle ein die Hilfe suchen und unterstützen jeden der geholfen haben möchte. Losgehen muss jeder selbst!“
Losgehen:
„Nach dem Führerschein Entzug, musste ich einen anderen Weg einschlagen. Ich habe mich nach meinem vom Alkohol bestimmten Leben entschieden, mich von meinem Arzt beraten zu lassen. Im Gespräch kam die Orientierung an einer Entgiftung teilzunehmen. Bei meinem 3-wöchigen Aufenthalt in der Klinik stellten sich zwei Selbsthilfegruppen vor. Im Gespräch merkte ich, dass sie Profis in eigener Sache sind. Nach zweimaligem Besuch in einer Selbsthilfegruppe bei den Guttemplern in Mainz merkte ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin“.
Sucht kann jeden treffen – egal wie alt man ist oder wie das Leben bisher verlaufen ist. Den Weg aus der Sucht schafft man selten allein. Genau deshalb gibt es die Suchthilfe und Selbsthilfegruppen (Gesprächsgruppen), die Betroffene auf ihrem Weg unterstützt. Ein wichtiger Teil dabei ist die Therapie.
Die Therapie ist ein zentraler Bestandteil der Suchthilfe. Ohne sie ist es oft schwer, dauerhaft von einer Sucht loszukommen. In der Therapie lernen Betroffene, die Ursachen ihrer Abhängigkeit zu verstehen – zum Beispiel Stress, seelische Verletzungen oder bestimmte Verhaltensmuster. Sie hilft, die eigenen Probleme besser zu verstehen und neue Lösungen zu finden. Besonders wichtig ist auch die Gemeinschaft mit anderen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Man fühlt sich verstanden und nicht mehr so allein. Durch Verschwiegenheit entsteht ein sicherer Raum, in dem man offen sprechen kann – ein Ort, an dem Geborgenheit spürbar wird.
Suchthilfe ist viel mehr als nur medizinische Unterstützung. Sie bedeutet, ehrlich begleitet zu werden, sich sicher zu fühlen – und eine echte Chance auf Veränderung zu bekommen. Jetzt liegt das Leben in zufriedener Abstinenz vor uns. Was folgt nun? Die Entscheidung „dafür“, die Zeit des gegenseitigen Kennenlernens und der Anfangsberatung liegt nun schon hinter Dir bzw. hinter uns.
Nach der Therapie kann im Regelfall die ambulante Nachsorge beginnen. Das ist ein wöchentliches (oder nach Bedarf und Vereinbarung anderer Rhythmus) stattfindendes Einzelgespräch mit einem Suchtberater oder Suchtberaterin. Es gilt Kontinuität in das abstinente und tägliche Leben zu bringen. Der Entschluss zur Abstinenz soll nun auch in kritischen Krisensituationen standhalten. Daher unterstützen wir uns in der Selbsthilfegruppe, um die Nachhaltigkeit der Veränderungen zu gewährleisten. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf das soziale Umfeld der Betroffenen gelegt. Das kann u. a. bedeuten:
Familiäre Bande gilt es zu festigen oder wiederherzustellen. Miteinbindung der Angehörigen, in Gesprächsgruppen, soweit das gewünscht ist. Gegebenenfalls Neuorientierung im Freundeskreis. Dies
bedeutet weiterhin sich klar zu werden darüber, „wer war nur Konsumkollege“ und „wer kann und möchte mit mir befreundet sein“, auch und gerade, weil ich jetzt abstinent lebe.
Schließlich gilt es sich in der Mehrheit der Fälle der Rückkehr oder Neufindung in die Arbeitswelt zu widmen. Wir stehen nun am Ende der Brücke und wagen den Schritt auf die Seite der Abstinenz.
Ohne den regelmäßigen Besuch der Selbsthilfegruppe hätten das einige von uns sicherlich nicht so weit geschafft.
Die Abstinenz
Seit wir Abstinenz leben, hat sich vieles für uns verändert. Es war für uns keine leichte Entscheidung, aber eine notwendige. Die ersten Wochen waren sehr anstrengend, aber mit der Zeit fühlen wir uns auf einmal körperlich fitter, wacher und gedanklich klarer und wieder aufgeräumter. Die Gespräche und Beziehungen sind wieder ehrlicher geworden. Endlich weg von Lügen und verstecken. Unser Selbstwertgefühl ist wieder gestiegen. Wir nehmen unsere Arbeit und unser Umfeld wieder bewusster wahr. Wir haben neue Hobbys gefunden sowie neue Bekanntschaften, die diese mit uns teilen. Wir besuchen regelmäßig unsere Selbsthilfegruppen, wo wir viel über unsere Sucht gesprochen und aufgearbeitet haben. Da wir offen mit unserer Abstinenz umgehen, können wir viel an andere Personen weitergeben, und Ihnen behilflich sein. Mit der Zeit entwickelt sich eine neue Stabilität in unserem Leben.
Wir wissen, dass die Abstinenz eine Lebensaufgabe ist, und wissen das wir Achtsam und bewusst durch unser neues Leben gehen. Manchmal erinnern wir uns an unser altes Leben im Konsum und wir sind stolz, dass wir diesen Weg gegangen sind. Die Teilnahme an der SHG-Ausbildung hat uns alle einen Schritt weitergebracht. Wir haben unsere Abstinenzabsicht gestärkt und werden unseren weg in der Selbsthilfe bei den Guttemplern weitergehen. Christian, Egmont, Jan, Johannes und Katrin, mit Unterstützung von Lisa, Stefan und Jürgen. Im April 2025